Frage zum Thema „Spiele spielen“

Ist es kindisch und unreif Spiele zu spielen um einen Ex zurückzuerobern?

Frau Gerlinde W. schreibt: „Hallo Herr Ittner, ich kann schon nachvollziehen, dass das Funktionieren kann, mit dem Spiele spielen. Allerdings habe ich Bauchgrimmen, wenn ich mich so verstellen soll. Es kommt mir so kindisch und unreif vor“.

Um Lebensentwürfe erfolgreich zu gestalten, ist ein hohes Maß an Leistungsbereitschaft nötig – verbunden mit Ausdauer und Pflichtbewusstsein. Dieses Bemühen um hochgesteckte Ziele macht meist auch vor dem Privaten nicht halt und durchdringt Familienleben und Freizeitgestaltung. Diese Lebensphilosophie haben sich viele von uns auf die Fahnen geschrieben; das ist an sich nichts Schlechtes; das ist halt einfach so…
Aber diese Lebensweise trägt auch ganz deutlich zwangsneurotische Züge, die uns selber gar nicht so auffallen, weil sie uns so geläufig sind und so vertraut, und weil wir schon in der Schulzeit auf sie eingestimmt werden. Durch sie verlieren viele das Lockere und Spielerische, das seit Kindertagen auch noch in jedem von uns steckt. Alltagsstress und die Erwartungshaltung der Gesellschaft verkrüppeln diese Seite der menschlichen Seele und lassen sie ein Schattendasein führen. Ist der Spaß am Leben gewichen, weil nur noch unser Funktionieren zählt, halten trotz beruflicher Erfolge manchmal Überdruss und Schwermut Einzug in die Herzen.

Haben Menschen ihre Beziehung verloren oder stehen sie kurz davor und sind sie gezwungen sich Gedanken zumachen, wie sie auf ihren (Ex)Partner wieder attraktiver wirken könnten, stoßen ganz viele schnell an ihre Grenzen, wenn Verhaltensweisen angesagt wären, die spielerische Elemente erfordern würden. Rollenwechsel und Spiele spielen sind für diese Zeitgenossen unvorstellbar – weil sie die Prinzipien ihrer Lebensphilosophie auf den Kopf stellen würden.
Kindern würde so etwas überhaupt nichts ausmachen – ganz im Gegenteil; die meisten hätten ihren Spaß daran, weil sie durch dieser Art der Spielerei ihre Kreativität zum Einsatz bringen könnten. Sehr viele Erwachsene haben es aber mit der Zeit verloren kreativ zu sein und spontan. Das ist sehr bedauerlich! Sollen sie nun Spiele spielen, um ihre Expartner etwas zu provozieren und aus der Reserve zu locken, empfinden sie dies als unreif und kindisch und mit ihrer Würde als Erwachsener unvereinbar.

Was diese „ernsthaften“ Menschen immer wieder vergessen, ist die Tatsache, dass sie ständig – unbewusst –, Spiele spielen, um angestrebte Ziele zu erreichen. Da ist z. B. eine pflichtbewusste Frau, die die Rolle einer guten Sekretärin spielt – loyal zu ihrem Chef stehend –, obwohl sie ihm manches Mal den Hals umdrehen könnte. Eine andere fühlt sich gezwungen ihrem störrischen Nachwuchs gegenüber die strenge Mama herauszukehren, um Grenzen zu setzen, obwohl sie ihn einerseits versteht und ihn am liebsten in den Arm nehmen würde. Alle spielen wir fortwährend irgendwelche Rollen und die Situationen, in denen wir uns ehrlich und authentisch geben können, sind begrenzt und selten. Leider!

All das akzeptieren wir meistens stillschweigend, weil es eben mit dazugehört zum Leben. Wenn nun aber ein Beziehungscoach daherkommt und Vorschläge zur Rettung der Beziehung macht, die schauspielerische Einlagen erfordern würden, zucken manche zurück, weil sie glauben, das nicht bringen zu können – spielerisch zu sein und geheimnisvoll. Aber mit etwas Geduld und Übung kann man sich das Verlernte auch wieder aneignen. Und ein kleines Spiel zu spielen ist nicht verwerflich oder schlecht – weil es im Grunde unserer menschlichen Natur entspricht. Übrigens verwendet man ja auch den Ausdruck „Liebesspiel“ und ich meine, diese Bezeichnung sollte nicht nur für den eigentlichen Akt vorbehalten sein 😉  !